"Wie kann ich als Lehrkraft in meinen Schulalltag neue Ideen einbringen?

Zukunftswerkstatt: Neue Ideen für den Schulalltag

Nach zwei Jahren coronabedingter Zwangspause war es am 18. und 19.2.2022 endlich wieder soweit! Rainer Kirschner, 2. Bezirksvorsitzender des BLLV Niederbayern, lud die Mitglieder des Perspektivteams Niederbayern zum Frühjahrsseminar ins Hotel Arberland in Regen ein.

„Wie kann ich als Lehrkraft in meinem Schulalltag neue Ideen einbringen?“ war das Thema der zwei Halbtage. Referent war der 2. Vizepräsident des BLLV Tomi Neckov, der seit über 20 Jahren aktiv beim BLLV ist. Er ist Abteilungsleiter des Wirtschaftsdienstes und führt den Verein der Studentenwohnheime. Auf Bundesebene ist er beim VBE tätig und zusätzlich auch international aktiv. Mit dieser breit gefächerten Erfahrung und Verantwortung leitete Tomi Neckov das Seminar sehr spannend und holte die Teilnehmer/innen dort ab, wo jeder/jede Einzelne stand.

Dabei war allen die Freude ins Gesicht geschrieben, seit langer Zeit wieder Teil einer Präsenzfortbildung sein zu dürfen. Die Pandemie hat die Defizite des Systems hervorgehoben, sodass der Wunsch nach einer Ideenbörse zum Thema „Wie kann man Schule anders oder besser gestalten?“ sehr groß war. Politisch gesehen ist für Veränderungen immer ein sehr langer Atem nötig. Ein Beispiel dafür sind die 25 Jahre, die nötig waren, bis die M10 umgesetzt werden konnte. Auch erweist sich z.B. die Erhöhung der Besoldung auf A13 für Grund- und Mittelschullehrer bisher als dickes Brett, das es zu bohren gilt.

Bereits in der Vorstellungsrunde wurde klar, wohin die 2 Tage thematisch führen würden. Der Ausbruch aus dem „Coronanebel“ mit dem Drang nach Austausch war den Teilnehmer/innen sehr wichtig. Die Gesellschaft nehme nicht wahr, wie es um das System Schule wirklich stehe, weil die Lehrkräfte alles am Laufen halten.

Nach diesem Warm-up startete Tomi Neckov mit einer Reflexion. So wurde überlegt, was denn an der eigenen Schule/ im Kollegium/ im System Schule gut läuft. Aufgabe war, sich drei Punkte dazu zu überlegen und darüber nachzudenken, warum diese Dinge gut laufen und wie das entstanden sei. Ergebnis dieser ersten Runde in Kleingruppen war, dass gegenseitige Wertschätzung sehr wichtig sei. Der Punkt „Wertschätzung“ sollte im Verlauf der beiden Halbtage immer wieder auftauchen und wurde zu einem zentralen Punkt für das ganze System Schule. Dabei wurde auch Arbeit auf Augenhöhe und die Art und Weise der Führung einer Schule genannt. Teamarbeit, Offenheit, Transparenz, fachliche Zusammenarbeit (auch digital) und gegenseitige Unterstützung, waren für die Seminaristen die ausschlaggebenden Eckpunkte, die zu einem guten Gelingen in den Schulen vor Ort beitragen. Darüber hinaus wurden Humor und privater Austausch genauso genannt, wie Fachlichkeit, Verteilung von Kompetenzen und Rollenverteilung.

Hierzu wurde von verschiedenen Seiten das Modell der erweiterten Schulleitung dargestellt, die an den praktizierenden Schulen erfolgreich angewandt werde.

Des Weiteren sei nicht nur die Wertschätzung innerhalb der Lehrerschaft, sondern auch die Wertschätzung durch die Erziehungsberechtigten ein wichtiger Punkt. Eine positive Elternarbeit trage sehr zu einem gelingenden Schulleben bei. Dafür wurden verschiedene Möglichkeiten dargestellt. Als ein Beispiel dafür wurde ein Rückmelde-System genannt, bei dem über das Jahr verteilt immer wieder kurze Informationen über den einzelnen Schüler (z.B. in Form von „Kontoauszügen“) heimgeschickt werden. Wichtig dabei ist hier der Perspektivwechsel, denn in den Rückmeldungen finden sich eben nicht nur die „typischen Mängel“, sondern auch die positiven Entwicklungen. So könne Druck aus der oft heiklen Kommunikation zwischen Lehrern und Eltern herausgenommen werden. Zusätzlich würden damit auch negative Rückmeldungen besser angenommen.

Einige Schulen stellten ihren Rhythmus von zwei kleinen Pausen auf eine große Pause um. So hätten nicht nur die Schüler, sondern auch die Lehrer einmal am Vormittag „echte“ Pause.

Vor dem Abendessen wurde in einem zweiten großen Arbeitspunkt das Thema „Welche drei Dinge möchte ich in meiner Schule/ meinem Kollegium oder im System Schule einbringen?“ angedacht. Der Übergang zwischen der Ideensammlung zur Verbesserung und privater Unterhaltung war dabei fließend, sodass das ein oder andere Thema auch noch nach dem offiziellen Teil in lustiger Runde erörtert werden konnte.

Und so startete das Seminar nach einem geselligen Abend am nächsten Morgen mit einer vom Referenten geschickt eingefädelten Morgengymnastik, um dann mit neuem Schwung an die Diskussion vom Vortag anknüpfen zu können. Dabei wurden die Hauptideen „Was möchte ich einbringen?“ in Kleingruppen vertieft. Folgende Wünsche bildeten sich heraus:

- gleiche finanzielle Voraussetzungen für alle Schulen, unabhängig von der Gemeinde und deren Finanzen,

- fest etablierte Fachkonferenzen und pädagogische Konferenzen (anstehende Projekte, Umgang mit Problemen und Unterrichtsstörungen, Notengebung, sonstige Zusammenarbeit) waren vor allem Wünsche aus den Reihen der Mittelschullehrer,

- Anrechnungsstunden für zusätzliche Konferenzen/ Besprechungen,

- generelle Verbesserung der Kommunikation/ Zusammenarbeit,

- Etablierung eines Kurssystems, bei dem die Schüler in verschiedenen Fächern auf unterschiedlichen Niveaus arbeiten können,

- Digitalisierung im Schulalltag (u.a. bzgl. Schriftwesen, Dienstgeräten, Kommunikation über Teams),

- Professionalisierung des externen Personals (insbesondere Schulbegleiter) mit Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle („Jeder kann Lehrer“ bedeute auch eine Herabsetzung des Berufsstandes),

- Mediation und Supervision,

- ausgebaute Fortbildungsmöglichkeiten und Unterstützung durch das Schulamt für die Schulleiter, die immer mehr die Funktionen von Managern übernehmen

In einem dritten großen Punkt des Seminars gab Tomi Neckov die Aufgabe, sich zu überlegen, wo es Widerstände aus dem Kollegium, von Vorgesetzten, durch rechtliche Rahmenbedingungen, durch fehlende Ressourcen und schulpolitische Vorgaben geben kann. Können diese überwunden werden? Und wenn ja, wie? In Kleingruppen erarbeiteten die Teilnehmer/innen hierzu vier Hauptthemen: externes Personal, Digitalisierung, Fachkonferenzen, Kollegium und Schulentwicklung.    

Externes Personal:

Tomi Neckov berichtete, dass im Kultusministerium extra eine Stabstelle für externes Schulpersonal eingerichtet worden ist. Ergebnis der intensiven Diskussion war, dass Koordinierungsstunden zur Einteilung vor Ort nötig wären. Das ist ein politisches Thema, auf das auch der große BLLV hinweisen wird. Außerdem sei eine Schulung/ Einweisung der Kräfte aus verschiedensten Institutionen und Töpfen nötig. Die Lehrer müssten das externe Personal unbedingt vor dem Unterricht kennenlernen, so dass auch eine gewisse Planbarkeit möglich sei und so die Schüler/innen vom Angebot wirklich profitieren könnten. Ein Verwalter dieses Personals wäre wichtig, damit die Aufgaben nicht wieder an den Schulleitungen hängen blieben.

Ab 2025 ist der offene Ganztag beschlossen. Wer soll das dann leisten? Diese Frage müsse bereits jetzt angegangen werden. An den Fachakademien für Erzieher/innen gibt es bereits eine zweijährige Ausbildung für die Nachmittagsbetreuung.      

Digitalisierung:

Grundproblem hierbei seien die Unterschiede zwischen den Schulen, die auf folgende Punkte zurückgeführt werden könnten: Voraussetzungen der Schulen, z.B. in Form von zur Verfügung stehenden Medien, finanzielle Mittel durch den Sachaufwandsträger, Schulungen und Lehrerpersönlichkeiten. Ein einheitlicher Grundstock, den jede Schule hat, wäre nötig. Die Bayerncloud soll hier helfen. Schulungen des/der Datenschutzbeauftragten seien nötig. Dass die Schulen mit ASV arbeiten und die Schulämter mit SVS oder dass jede Schule gängige Programme wie Antolin immer einzeln freischalten muss, seien hier Stolpersteine. Eine weiterführende Frage sei dann, wer die Digitalisierung (Geräte, Apps,…) betreut. Die Finanzierung allein reiche nicht, es brauche eine(n) Zuständige(n). Zusammenarbeit zwischen mehreren Lehrern könne diese Arbeit sehr erleichtern. Ein erarbeiteter Lösungsansatz war die Bildung von Tandems, in denen das bisherige Arbeitswesen nicht überflüssig, sondern verändert wird. Auch hier spielte wieder der Begriff Wertschätzung eine große Rolle. Durch viel Kommunikation in alle Richtungen können Ressourcen besser genutzt und Mittel passender verteilt werden.                                

Fachkonferenzen:

Zur Etablierung von Fachkonferenzen könne es manchmal hilfreich sein, erstmal einen Schritt zurückzugehen, um dann zwei Schritte nach vorne zu gehen und so auch die eigene Erwartungshaltung anpassen zu können. So werde die Einführung der Fachkonferenzen zu einem gemeinsamen Prozess. Damit war man auch wieder bei der Wertschätzung. Der Wille zur Absprache sei zentral.   

Kollegium und Schulentwicklung:

In jedem Schulamtsbezirk gibt es einen Schulentwicklungsmoderator, der den Schulen nichts kostet. Dieser kann von außen als Vermittler auf die Schulfamilie blicken und versucht die Punkte zu finden, wo es hakt und den Kern der Probleme herauszuarbeiten. Der Schulentwicklungsmoderator könnte auch helfen, Fachkonferenzen zu etablieren. Zuerst muss sich das Kollegium z.B. mit Hilfe eines Supervisors finden, dann kann der Schulentwicklungsberater hinzugezogen werden. Das Schulamt sieht es gerne, wenn Schulen sich auf den Weg machen, Lösungen und Verbesserungsansätze zu finden. Dafür ist es gut, wenn man sich vorher mehrere Kollegen und Kolleginnen mit ins Boot holt. So etwas geht nicht auf die Schnelle. Außerdem können auch Schulleiter mal gelobt werden. Positives Feedback tut auch nach oben gut. Wobei wiedermal die Wertschätzung als zentraler Punkt genannt wurde.

Der Referent Tomi Neckov schloss die intensiven Diskussionen mit der Aussage ab: Wir sind die Stimme der Praxis!

Vielen Dank an Rainer Kirschner als Organisator und Tomi Neckov als Referent für zwei spannende, gewinnbringende Tage!

Alexandra Hindinger