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PISA-Offensive

PISA-Offensive

BLLV Niederbayern warnt: Die Umsetzung der PISA-Offensive wird problematisch

Nach dem PISA-Schock kam die PISA-Offensive. Der große Wurf? Die Lehrerinnen und Lehrer, die im Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) Niederbayern organisiert sind, bezweifeln das. Beim Bezirksausschuss, dem höchsten Gremium des Bezirksverbandes neben der Bezirksdelegiertenversammlung, gab es viele kritische Stimmen. Vor allem die Umsetzung werde ein großes Problem, das vielen Eltern nicht gefallen werde, betonten im BLLV vertretene Schulleiterinnen und Schulleiter.

Selbstverständlich: Nach den PISA-Ergebnissen muss sich dringend etwas ändern. Und selbstverständlich ist es zu begrüßen, wenn die Stundentafel ausgeweitet wird, um den Kindern mehr Zeit zu geben, um Grundlagen in Deutsch und Mathematik zu festigen. Aber dafür weniger Musik, Kunst, Englisch, Werken und Gestalten in der Grundschule? Mit dieser Entscheidung hadern viele Kolleginnen und Kollegen, wie die BLLV-Zusammenkunft in Hengersbergdeutlich zeigte. Die PISA-Offensive gehe sowohl an den Bedürfnissen der Schüler als auch der Lehrer vorbei.

„Lernen mit Kopf, Herz und Hand ist so viel mehr als nur Deutsch und Mathematik. Unsere Kinder brauchen eine ganzheitliche Bildung. Sie brauchen Zeit für Kreativität, soziales Lernen und auch die Begegnung mit einer ersten Fremdsprache ebenso wie mit Kunst und Musik. Gerade im Grundschulbereich werden die Grundlagen für so vieles gelegt. Kürzungen in diesen Bereichen sind der falsche Weg, vor allem für die Kinder, die in dieser Zeit auch ihre Persönlichkeit entfalten“, fasst Petra Hübl-Ostermeier, 3. Bezirksvorsitzende, (Deggendorf), den Standpunkt der Kolleginnen und Kollegen zusammen.

Zwar räumt das Kultusministerium den Schulen Freiheiten ein, selbst zu entscheiden, welche Unterrichtsstunden aus den Bereichen Musik, Kunst, Englisch, Werken und Gestalten pro Klasse gekürzt werden, allerdings kommt diese Flexibilisierung bei den Schulen nicht gut an. 2. Bezirksvorsitzender Rainer S. Kirschner, selbst Konrektor an einer Grund- und Mittelschule (Bad Griesbach), erklärt, warum: „Den Eltern wird es nicht gefallen, wenn die eine Schule mehr Musik und Kunst anbietet, die Nachbarschule dafür mehr Englischunterricht.“ Die Kinder werden mit unterschiedlichem Vorwissen an die weiterführenden Schulen übertreten. Darüber hinaus werde durch die Flexibilisierung der Stundentafel das Erstellen der Stundenpläne noch sehr viel schwieriger.

Viele Mitglieder des Bezirksausschusses kritisierten in diesem Zusammenhang, dass im Zuge der Stundentafelüberarbeitung nicht auch über das Fach Katholische Religionslehre diskutiert wurde. Auch die Kirche habe mit Lehrkräftemangel zu kämpfen, sodass es mancherorts schwierig ist, die dritte Religionsstunde in der 3. und 4. Jahrgangsstufe überhaupt zu besetzen. Hätte man also nicht auch Religion mit in den Fächerpool einbeziehen können, aus dem die zusätzlichen Stunden für Deutsch und Mathematik gespeist werden?

Deutliche Worte zur PISA-Offensive findet auch Niederbayerns Bezirksvorsitzende Judith Wenzl (Landkreis Landshut): „Eine Offensive würde bedeuten, mehr Stunden in das System Schule hineinzugeben. Doch was macht man stattdessen: Es werden durch die Hintertür Stunden gekürzt.“ Zudem kritisiert sie: Vor einer Offensive hätte es eine ehrliche „PISA-Analyse“ geben müssen. Dann hätte man erkannt, dass die Gründe für das schlechte Abschneiden bei den PISA-Studien zum einen hausgemacht, zum anderen schon lange zurückliegen. Der Lehrkräftemangel sei lange von der Politik abgestritten worden, geschweige denn habe man rechtzeitig Maßnahmen ergriffen. Auch habe die Politik lange hingenommen, dass Klassen zusammengelegt und fachfremd unterrichtet werden. Am falschen Ende habe man auch gespart, als man das bewährte Modell der zweijährigen Übergangsklassen für Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, mehr und mehr zurückgefahren bzw. mancherorts ganz eingestellt habe. „Nur wer ehrlich analysiert, kann nachhaltige und sinnvolle Reformprozesse anstoßen. Das ist leider nicht passiert,“ stellt Bezirksvorsitzende Judith Wenzl fest.

Einig waren sich die Kolleginnen und Kollegen, die beim Bezirksausschuss vertreten waren, dass es in den Grundschulen deutlich mehr Zeit für das Einüben und Wiederholen geben muss. Somit gehe zwar die Stärkung der Fächer Deutsch und Mathematik in die richtige Richtung, aber nicht in diesem System. Bezirksvorsitzende Judith Wenzl sprach den Probenwahnsinn in der vierten Jahrgangsstufe an. „Zeit, um wirklich zu üben und zu wiederholen, bleibt wegen der Proben nicht.“ Auch habe man dies-bezüglich schon beim Vor-Vor-Lehrplan des jetzigen Grundschullehrplans die Weichen falsch gestellt. Schon damals habe man am grundlegenden Unterricht gespart und Zeit für Üben eingespart.